Die kompletten Zitate zur "Keuschheit"

»Nun frage ich, ob der in der Keuschheit schwache Mensch nicht vor jedermanns Augen einen sehr großen Vorzug vor dem eiskalten Helden der Keuschheit hat! Von mir aus wohl! Nun, wie das bei Dir, erhabenster Herr und Meister, angeschrieben steht, weiß ich nicht und kann es auch nicht wissen. Um sonach auch in diesem von Moses verbotenen Punkte in eine bestimmte Ordnung zu kommen, um nicht stets in der verderblichen Angst zu sein, mit jedem solchen Akte vor Gott gesündigt zu haben, und ist der wie immer geartete Akt allzeit eine Sünde, so wirst Du, o Herr und Meister, wohl auch irgendein Heilmittel dagegen wissen, durch das man sich die Begierde und den Drang wie einen Schnupfen vertreiben kann! Denn es gibt nichts Miserableres für einen ehrlichen Menschen, als in einem fort von einer gewissen Seite zum Sündigen bei den Haaren gezogen zu werden; die Natur zwingt das Fleisch mit einer unwiderstehlichen Macht gleichfort dazu, und fällt man durch die freie Luft als ein naturschwerer Körper, so hat man dann aber auch schon eine Todsünde begangen! Das ist denn doch ein wenig zu stark, besonders für einen Menschen, der gottlob noch stets nach Möglichkeit Kopf und Herz am rechten Flecke getragen hat. Darüber also, Herr und Meister, möchte ich von Dir auch eine klare Erläuterung haben! Denn das scheint mir wenigstens einer der heikligsten Punkte zu sein!“

Sage Ich: „Wenn das Leben eines Menschen kein tändelnder Scherz, sondern ein sehr geheiligter Ernst ist, so kann auch der Entstehungsakt desselben durchaus keine Tändelei, sondern auch nur ein sehr geheiligter Ernst sein. Fasse den Grund recht, und es wird dir darauf bald von selbst alles klarwerden! Die wohltuenden Empfindungen des Aktes selbst sollen nicht der Beweggrund zum Akte sein, sondern allein, daß ein Mensch gezeugt werde! Fassest du das, so wirst du bald finden, daß die wohltuenden Empfindungen nur begleitende Erscheinungen sind, durch die das Werk der Menschwerdung in der Natur des Fleisches ermöglicht wird. Drängt dich der Hauptgrund, so gehe und handle, und du hast keine Sünde! Aber es ist dabei dennoch so manches in eine ordnungsmäßige Berücksichtigung zu ziehen. Dieser Akt darf nicht außerhalb der Sphäre der wahren Nächstenliebe geschehen; ein Hauptgrundsatz der wahren Nächstenliebe aber lautet: ,Tuet euern Nächsten das, was ihr wünschet, daß sie auch euch tun sollen!‘ Nun, du hättest eine aufblühende Tochter, die deinem Vaterherzen ein Heil ist; du wirst um nichts so sehr besorgt sein als um ein rechtes, heilbringendes Glück für solche deine von dir allerzärtlichst geliebte Tochter. Wohl wäre die Tochter reif und sonach fähig, eine Zeugung anzunehmen. Wie würde es dir zumute, so da ein sonst ganz gesunder Mann käme, vom Bedürfnisse, einen Menschen mit einer Jungfrau zu zeugen, gedrängt, und zeugete mit deiner Tochter gewaltsam eine Frucht?! Siehe, das würde dich zu einer furchtbaren Rache gegen einen derartigen Frevler erfüllen, und du würdest ihn ohne die möglichst schärfste Züchtigung nicht mehr aus den Augen lassen! Und dennoch hätte dieser Mensch keine Sünde gegen die Keuschheit begangen, weil er von dem Ernste gedrängt war, seinen Samen nicht außer einem guten Gefäße zu verstreuen, wodurch einer Menschwerdung ein Pfad abgeschnitten würde. Aber der Akt ist andererseits dennoch ein sündhafter, weil dadurch die wahre Nächstenliebe einen gar gewaltigen Stoß erlitt! Gesetzt, dich selbst drängte ein ernster Akt in der Fremde, du träfst da ein Weib auf einem Felde, und du gewönnest es durch Geld und Worte, deinem Drange entgegenzukommen, und das Weib willfahrte dir das, so hättest du dadurch keine Sünde gegen die Keuschheit, auch keinen Ehebruch begangen, so die Person auch eines Mannes ordentliches Weib wäre. Aber so du bedacht hättest, in welche große und höchst trübe Verlegenheiten und Verfolgungen das Weib kommen werde, so der rechte Mann zu ihr sagen wird: ,Weib, gib Rechenschaft, wer in dich den Samen gelegt hat, da ich dich seit dieser und jener Zeit nicht berührt habe!‘, - siehe, daß du dadurch den häuslichen Frieden zwischen einem Ehepaare gestört hast, das ist eine grobe Sünde wider die Nächstenliebe! Denn du hättest deinen, wenn schon ernsten Drang, wenn er keine Wollustleidenschaft ist, schon noch auf eine schicklichere Gelegenheit versparen können! Du ersiehst hieraus, daß ein Mann, bei sonst ganz ordentlichen und der wahren Keuschheit nicht widerstrebenden Handlungen, auch auf alle andern menschlichen Nebenumstände sein Augenmerk richten muß, so er sich nicht an irgendeinem Gesetz versündigen will. Ein Mann aber kann mit seinem Weibe ebensogut die Unkeuschheit treiben als mit einer Hure und ärger noch. Denn bei einer Hure ist nichts mehr zu verderben, weil da ohnehin schon alles verdorben ist; aber ein Weib kann überreizt werden und dadurch in eine leidenschaftliche Begehrlichkeit übergehen, wodurch sie dann eine viel ärgerlichere Hure werden kann denn eine Ledige. Wer aber eine Ledige beschläft, versündigt sich gegen die Keuschheit, weil sein Akt nur die Befriedigung der puren Wollust und nicht die Zeugung eines Menschen zum Grunde hatte und auch nicht haben konnte, weil ihm die reine Vernunft sagen muß, daß man auf den Landstraßen keinen Weizen sät. Nebst der Sünde gegen die ordentliche Keuschheit aber begeht jener, der eine Hure beschläft, noch die Sünde an seiner und der Hure Menschheit, weil er dadurch leicht seiner Natur einen großen Schaden zufügt und die blinde Hure in ihrem geheimen Besessensein noch mehr verhärtet und unheilbarer macht, was da schon wieder eine Sünde gegen die Nächstenliebe ist. Wer aber ein zu einer Hure gemachtes Weib beschläft, der versündigt sich in derselben Weise zweifach und vierfach, wenn er selbst ein Ehemann ist, weil er dadurch auch einen Ehebruch begeht. Ich meine nun, da du ein rein denkender Mann bist, so wird dir dies wenige genügen, und das um so mehr, da ein Mensch, wie du, ohnehin weiß, was da geziemend ist für einen in aller Hinsicht ordentlichen Mann!“

Sagt Jurah: „Ja, Herr und Meister, nun ist mir alles klar, und ich weiß nun auch, wohin die vielen Abarten der Unkeuschheit führen müssen! Ja, nun ist alles klar! Es gibt in allem nur eine vor Gott gültige Wahrheit, die in der ewigen Ordnung begründet ist, - alles darunter, darüber und daneben ist vom Übel!“«

(Großes Evangelium Johannes, Band 3, Kapitel 214 Vers 11 bis Kapitel 215 Vers 15)

»Hat ein Mann viel des Samens, nun, so tue er ihn legen in einen andern Acker, nach der guten Art der alten Väter und Patriarchen, und er wird nicht sündigen. Wenn er aber bloß heimlich ausgeht, um mit feilen Dirnen zu befriedigen seinen Trieb und sich dadurch zu erlustigen ohne Zeugung einer Frucht, so begeht er dadurch ganz sicher eine grobe sodomitische Sünde wider die göttliche Ordnung und wider die Ordnung der Natur! Nur ein junger, zeugungsfeuriger Mann, so er von den Reizen eines Mädchens zu sehr ergriffen wird derart, daß er kaum seiner Sinne mächtig ist, der kann eine Jungfrau beschlafen, ob mit oder ohne Zeugung; aber nach dem Akte hat er ihr das gewissenhaft zu entrichten, was durch Moses verordnet ward. Und ist aus solcher Notzeugung eine Frucht zustande gekommen, so muß er der Jungfrau das Zehn- bis Hundertfache von dem geben, was er ihr nach Moses nur einfach schuldig wäre, wenn keine Frucht aus dem Akte entstanden wäre; denn eine Jungfrau bringt einem solchen Menschen ein großes Opfer auf Leben und Tod! Kann ein Mann darauf eine solche Jungfrau ehelichen, so soll er das nicht unterlassen; denn, wie gesagt, sie hat ihm ein großes Opfer gebracht und ihn einer betäubenden Bürde entledigt.«

(Großes Evangelium Johannes, Band 3, Kapitel 66 Vers 3 und 4)


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